Das Gymnasium wird am 12. April 1869 mit 69 Schülern (nur Knaben) in den Klassen VI bis VII mit 4 unterrichtenden Lehrern eröffnet.

Direktor wird der aus Eisenach stammende Dr. Eugen Brigleb.

1869 – 1872 Progymnasium
4.06.1869 Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg besucht das Gymnasium.
18.12.1870 Nachdem die Einrichtung von Privatschulen ermöglicht wurde, konnte eine Höhere Töchterschule in der Mühlenstraße 2 eröffnet werden. Einen Abschluss in Form eines Reifezeugnisses gab es allerdings nicht und die Mädchen konnten nach ihrer Schulausbildung auch nicht studieren.
1870/1871 Deutsch-französischer Krieg; 18.01.1871 Gründung des Deutschen Reiches

Das Schuljahr begann den 22. April und verlief ohne wesentliche Unterbrechung. Selbst der große Krieg, der in deutschen Landen hunderten von Schwesternanstalten Ursache zu mehr oder minder erheblichen Störungen gewesen ist, hat unsere äuszere Ordnung nicht beeinfluszt. Unsere kleine Stadt, nicht an der Eisenbahn gelegen, hat weder Truppendurchzüge gesehen, noch sind hier Kriegsgefangen internirt oder Lazarethe errichtet gewesen. Dadurch sind wir zwar von manchen Störungen und Gefahren, namentlich Epidemien verschont geblieben, im Uebrigen jedoch hätten wir es nicht für einen Nachteil gehalten, wenn unsere Schüler nach eigener lebendiger Anschauung eine Ahnung davon bekommen hätten, welche Kraftanstrengung und welche Opfer dieser Krieg, dessen beste Früchte gerade der jetzigen Jugend hoffentlich einst zu Gute kommen sollen, gekostet hat.

1872

Die Schule wurde Städtisches Gymnasium, denn durch die Berufung neuer Lehrer konnten weitere zwei Klassenstufen aufgenommen werden: die Sexta (4. Schuljahr) und die Prima (12. Schuljahr).

Aufnahmebedingungen für die Sexta:
mindestens 9 Jahre alt,
Lesefähigkeit in Deutsch und Latein,
Kenntnisse in den vier Species (Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division),
Rechtschreibkenntnisse zum Schreiben eines Diktats.
Das Schulgeld betrug pro Jahr 18 bis 24 Thaler.

Aufbau der Prima:
Die Mittelstufe führte zur Mittleren Reife, auch „einjähriges Zeugnis“ genannt. Damit brauchte der Schüler nur ein Jahr beim Militär zu dienen.
Die Mittlere Reife war der Schulabgang für alle, die im bürgerlichen Leben etwas gelten wollten, aber das Abitur nicht erreichen konnten.
Im humanistischen Gymnasium hatten alte Sprachen (Griechisch, Latein) Priorität, Hebräisch war fakultativ.

Sexta VI. Klasse
Quinta V. Klasse
Quarta IV. Klasse (Unterstufe)
Untertertia III. Klasse
Obertertia III. Klasse
Untersekunda II. Klasse (Mittelstufe)
Obersekunda II. Klasse
Unterprima I. Klasse
Oberprima I. Klasse (Oberstufe, führte zum Abitur)
Ostern 1874 Zwei Schüler erlangen die erste Reifeprüfung am Gymnasium (Abitur)
1875 Impfnachweis für die Schüler wird eingeführt.
1876 Carl Holle wird Direktor des Gymnasiums

Nur mit Erlaubnis vom Direktor!

„2.) zu §9:  Der Besuch von Tanzvergnügen, die ausserhalb eines geschlossenen Familienkreises stattfinden, ohne Begleitung der Eltern und deren Stellvertreter, ist nur den Schülern der ersten Klasse gestattet, solange sie sich überhaupt dieser Erlaubnis würdig zeigen; jedoch haben dieselben jedesmal dem Direktor vorher die Anzeige zu machen.“

1877

Inkrafttreten der Friedrich Stein’schen Stiftung zur finanziellen Unterstützung bedürftiger Schüler

Teilnahme der Schüler und Lehrer an der Einweihung des Kriegerdenkmals auf dem Mühlenberg;

Rechts das Denkmal auf dem Mühlenberg für die gefallenen Soldaten des deutsch-französischen Krieges mit der „Victoria“ von Christian Daniel Rauch.

Links ist das Schützenhaus zu sehen, das später dem 2009 abgerissenen Kreiskulturhaus weichen musste.

1881 Zwei Schüler sterben an Typhus.
Am 21.04.1881 tritt eine Verfügung über die neue deutsche Rechtschreibung in Kraft.
16.04.1884 Trauerandacht der Schule zum Ableben des Großherzogs
4.02.1885 Prädikate für Abiturienten werden eingeführt: „sehr gut“, „gut“, „genügend“, „nicht genügend“
1886 Zwei Schüler des Gymnasiums sterben an Diphteritis.
1887 Erstmalig gab es Hitzefrei: „Vom 27. August bis 4. September fiel der Nachmittagsunterricht in Folge der übergroßen Hitze aus.“
1.01.1891 Das Schulgeld wird für alle Klassen auf jährlich 100 Mark für jeden Schüler festgesetzt. Dafür fällt das Tintengeld weg.

Klagen der Schüler über die Überbürdung mit Aufgaben

Aus der Antwort des Direktors Carl Holle:
„Es sind in den letzten Jahren mehr denn je Klagen über die Überbürdung der Schüler mit Arbeiten laut geworden; es hat an denselben auch hierorts nichts gefehlt. Sie sind grösstenteils unberechtigt und als solche öfter von denen, die allein ein Urteil in dieser Sache haben, zurückgewiesen worden (…) Denn EINS wird vom Publicum gelegentlich übersehen, weil es selbst diesem  Zeitgeiste sich nicht ganz entziehen kann: das ist die bei weitem grössere Genusssucht der heutigen Jugend, das frühe heraustreten derselben aus den ihr natürlich und gesetzlich gezogenen Grenzen und Schranken; das ist der Umstand, dass der Geist des Schülers, statt sich an den würdigen Gegenständen, welche der Unterricht bietet, zu erquicken, statt „sich im Umgange mit den Weisen der Vor– und Mitwelt zu erholen“ und aus der Wissenschaft neue Kraft zu neuer

Arbeit zu saugen, so oft nur die Flachheit des Tageslebens mit seinem bunten Wechsel von Genüssen nachschleudert und seine Kraft vergeudet und von ihrer Lehre, ihrer Disciplin und Vermahnung alles d.h. eben zu viel. Sie allein vermag aber nichts oder doch allzu wenig auszurichten, wenn ihr nicht das (Eltern-)Haus zur Seite steht. Denn diesem fällt doch vor allem oder wenigstens zum grossen Teil die Erziehung zu; ihm können wir nur zur Hülfe kommen (…)“

Wichtige Verfügung gegen den Betrugsversuch von Schülern:

„Das unterzeichnete Ministerium sieht sich veranlasst zu bestimmen, dass , wenn bei der Ausfertigung der schriftlichen Abiturientenarbeiten ein Abiturient einem anderen bei der Täuschung behülflich ist, in Zukunft nicht bloß der letztere, sondern auch der erstere von der weiteren Prüfung zurückgewiesen wird. Verlässt ein wegen versuchter Täuschung oder Hülfeleistung bei einem solchen von der Prüfung zurückgewiesenen Schüler die Anstalt vor der im nächsten Halbjahr stattfindenden Prüfung, so ist eine bezügliche Bemerkung in das Abgangszeugnis aufzunehmen“

1894

„XXV Jahre Städtisches Gymnasium zu Waren“

Anlässlich des 25jährigen Jubiläums des Gymnasiums gab es eine Reihe von Festveranstaltungen. Zum „Festkommers“ abends erschien ein Heft mit 10 größtenteils selbst gedichteten Liedern nach eigenen oder bekannten Melodien, die zwischen den offiziellen Reden gemeinsam gesungen wurden. Bemerkenswert sind z.B. diese Strophen:

„Stoßt an! Freies Wort lebe! Hurra hoch! Wer die Wahrheit kennet und saget sie nicht,
der bleibt fürwahr ein armer Wicht. Frei ist der Bursch!
Stoßt an! Kühne That lebe! Hurra hoch! Wer die Folgen ängstlich zuvor erwägt,
der beugt sich, wo die Gewalt sich regt. Frei ist der Bursch!“

Juni 1894 Für 9 Tage wurde die Schule geschlossen, weil 103 von 128 Schülern aufgrund einer Augenentzündung erkrankten.
1.04.1900 Carl Holle scheidet nach 23 Jahren Tätigkeit als Direktor des Gymnasiums aus seinem Amt aus. Sein Nachfolger wird Dr. Polstorff.
12.-19.01.1901 Die Turnstunden entfielen, um den Schülern die Gelegenheit zu geben, auf die Eisbahn zu gehen.
1902 Veränderung der Klassenstufen: VI, V, IV, IIIA, IIIB, II, I
1903 Einführung der Zensurenskala:
1 = „sehr gut“, 2 = „gut“, 3 = „genügend“, 4 = „mangelhaft“, 5 = „ungenügend“
1907 Das Schulgeld wurde auf 140 Mark pro Jahr festgesetzt. Zum Vergleich: Ein Lehrer verdiente zwischen 1.800 und 4.200 Mark jährlich, der Direktor 4.800 Mark.
1909 Dr. H. Leopoldi wird nach Dr. Lüth, der die Schule ab 1908 leitete, Direktor. Allerdings wird er schon nach 6 Monaten an das Großherzogliche Gymnasium Friederico-Francisceum in Doberan versetzt.
1913 Der Bau eines Bootsschuppens für das Gymnasium wird durch private Spenden ermöglicht.
1914-1918 Erster Weltkrieg; Im August 1914 wird auch Waren von der allgemeinen Kriegsbegeisterung erfasst.
Im Ersten Weltkrieg fielen 8 Lehrer und 73 Schüler (auch ehemalige).

„Am 4. Februar fiel Höchster Bestimmung gemäss aus Anlass der Vermählung des Herzogs Heinrich mit der Königin der Niederlande der Unterricht aus.“

„Mittwoch, den 24. Mai besuchten Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Frau Großherzog die Stadt Waren. An den festlichen Veranstaltungen beteiligte sich das Gymnasium durch Aufstellung in dem in Bahnhofstraße und Güstrower Straße gebildeten Spalier. Am darauf folgenden Tag fiel auf Allerhöchsten Befehl der Unterricht aus.“
„Hitzeferien waren notwendig an sechs Tagen.“

„Am 28. Juni mußte wegen eines im Schulgebäude selbst aufgetretenen Falles von Diphteritis die Schule auf Dauer einer Woche geschlossen werden.“

Mitteilung gegen das Kneipenwesen der Schüler:
„Das erste, aber nicht geringste Übel in dem Leben und Treiben der Verbindungen ist die Vergeudung der Zeit. Die regelmäßigen Kneipen, häufiger Wirtshausbesuch, feierliche Kommerse am Stiftungsfest, bei Anfang und Schluss des Semesters, der „Durchtreiber“ an den Tagen der mündlichen Reifeprüfung, alles das nimmt mit seinen Vorbereitungen, seinem eigenen Verlaufe und seinen Folgen einen großen Teil der Zeit hinweg, die nützlicher Beschäftigung oder wirklicher Erholung gebührt. Aber damit allein ist es nicht getan: noch zeitraubender sind die übrigen Zusammenkünfte, die wöchentlich ein– bis zweimal gehalten werden. Dazu kommt die Unsumme von Zeit, die beim Auswendiglernen der Kneipenlieder, der Statuten und Paragraphen des Komments zugebracht wird; die auf das Abschreiben der Statuten usw. verwandt und mit sog. Unterrichtsstunden, Prüfungen u. dergleichen verschwendet wird…“

„Die hell auflodernde Begeisterung unserer deutschen Jugend bei Ausbruch des Krieges, die unser aller Herzen mit dankbarer Freude erfüllt, durften wir auch an unserem Gymnasium erleben, die ganze Oberprima stellte sich zu den Waffen…“